Sonntag, 6. Januar 2013

Die Integrationslüge

Irgendwann einmal wird diese Geschichte vielleicht für Erheiterung sorgen:
„Jahrelang gab es in Deutschland keine Ausländer. Es gab einige Gastarbeiter und ihre Familien, die den Arbeitskräftemangel beseitigen sollten, aber Deutschland hatte kaum permanent im Land lebende Ausländer. Deswegen war es auch nicht nötig, sich Gedanken über Integration, Deutschkurse oder Asylgesetze zu machen. Dann kam rot-grün. Sie brachten den Multi-Kulti-Gedanken mit, und seither gibt es viele, viele Ausländer in Deutschland, die sich nicht integrieren wollen.“
Vielleicht. Sie klingt vollständig lächerlich, aber sie enthält mehr als nur einen wahren Kern. Die Ausländerpolitik kann wahrscheinlich als die große Lebenslüge der CDU gelten. Sie war es, die im angesichts des Arbeitskräftemangels nach dem Zweiten Weltkrieg die Gastarbeiter ins Land rief. Und als diese sich einzurichten und ihre Familien heimzuholen begannen, tat man in der CDU noch immer so, als seien sie nur Gäste und würden irgendwann wieder gehen. Eine solche Position ist bequem, denn sie entbindet von zahlreichen Pflichten. Weder die sozialliberale Koalition noch die folgenden 16 Jahre Kohl beschäftigten sich großartig mit der Frage; unter Kohl wurde das Asylrecht lediglich derart verschärft, dass kaum mehr neue Asylbewerber ins Land kamen. Was mit den hier lebenden Menschen geschehen sollte wusste niemand zu sagen; mittlerweile in der dritten Generation hier lebende Migrantenfamilien wurden behandelt, als ob sie irgendwann in eine „Heimat“ zurückkehren würden, die schon die zweite Generation nur als Urlaubsland kannte und dessen Sprache sie kaum sprach. Auch bei den Asylbewerbern war die offizielle Linie, dass diese schon wieder in ihre Heimat gehen würden, wenn nur der Grund ihres Asyls wegfiele. Dass das grob blauäugig ist, wenn man die Situation in diesen Ländern bedenkt (wann beispielsweise hätten iranische Exilanten von 1979 heimkehren sollen?) ist eine Sache. Eine andere ist weit verheerender.


Denn dadurch, dass offiziell kaum ein Migrant bleiben würde, war auch eine Integrationspolitik überflüssig. Da das Ius Sanguinis (Recht des Blutes; im Gegensatz zum Ius Solis, Recht des Bodens. Beim Ius Sanguinis wird man Deutscher durch Abstammung von Deutschen, beim Ius Solis durch Geburt in Deutschland. Letzteres wird beispielsweise in Frankreich oder den USA praktiziert) weiter offizieller Grundsatz blieb, brachte die Kohl-CDU in den 1990er Jahren sogar noch ganze Wellen von „Volksdeutschen“ aus den ehemaligen Ostblockstaaten ins Land, die zwar oftmals kein Deutsch sprachen, aber aus Ideologie heraus als Deutsche galten – was wiederum Integration überflüssig machte. Auf die Art überdeckt köchelten die Konflikte auf kleiner Flamme vor sich hin, der Ghettoisierung wurde Vorschub geleistet.


Das alles änderte sich mit dem Machtantritt von rot-grün. Die Grünen brachten eine neue Ideologie mit, die heute gerne als „Multi-Kulti“ verspottet wird und inzwischen negativ konnotiert ist. Es sollte wenig überraschen, dass es beispielsweise der Spiegel war, der damals begeisterte Artikel über Multi-Kulti-Ecken schrieb und der es heute verspottet und verdammt. Multi-Kulti ging davon aus, dass das friedliche Nebeneinander der Kulturen zu einer Bereicherung für beide Seiten führen würde. Diese Vision ertrank in 9/11 und Visaaffäre (nehmt das als pars pro toto).

So viel zum geschichtlichen Überblick. Seit damals ist in Deutschland Ausländerfeindlichkeit wieder en vogue und voll modern. Das hat auch die NPD begriffen. Natürlich darf man nicht stumpf „Ausländer raus!“ rufen, denn das wäre ja rechts. Stattdessen ist man „Islamkritiker“. Der Spiegel, der einmal als aufgeklärtes Nachrichtenmagazin galt hat es geschafft, im letzten dreimal einen Titelaufmacher zum Islam mit schwarzem Hintergrund zu unterlegen und vor „Mekka Deutschland: die stille Islamisierung“ zu warnen oder über „Allahs blutiges Land: der Nahe Osten“ zu berichten. Wer dieser Tage über den Islam redet ohne Zwangsheirat und Ehrenmord zu erwähnen, der ist suspekt. Dabei ist „der Islam“ nur ein ähnliches Vehikel wie früher „die Ausländer“. Das ist praktisch, denn wie früher ist man ja eigentlich gar nicht gegen alle Ausländer. Volker Pispers bringt als Beispiel gerne einen Düsseldorfer Stadtteil, in dem 25% der Bevölkerung Japaner sind. Die haben japanische Schulen, japanische Restaurants, japanische Essensläden und japanische Tempel – also alles Dinge, die einer Integration richtig im Weg stehen. Deutsch können sie auch nicht. Aber das alles macht nichts, man freut sich an der fremden Exotik. Ausländerfeindlichkeit in Deutschland richtet sich gegen die dunklen Hautpigmentierungen, und da ist es doch praktisch, dass ein Großteil der Südländer (besonders natürlich die Türken) gleichzeitig Muslime sind.


Gebetsmühlenhaft wird dabei die Forderung erhoben, „die Ausländer“ (beziehungsweise „die Muslime“) müssten sich „integrieren“, und dass „Integration“ der Schlüssel sei. Diese Erkenntnis kommt nach 50 Jahre natürlich reichlich spät. Was aber ist Integration überhaupt? Wann ist ein Ausländer „integriert“? Wenn er flüssiger auf Deutsch parlieren kann als Bayern-Schorsch? Wenn er Lederhosen trägt und vielleicht sogar fehlerfrei auf bayrisch flucht, während er die Mass auf der Wiesn leert? So sehr das Bild zum Lachen reizt, es zeigt sich bereits das erste Problem. Die wenigsten Deutschen würden das als „deutsch“ qualifizieren, allein weil niemand weiß, was „deutsch“ eigentlich ist. Seit dem 17. Jahrhundert versuchen die Dichter und Denker des Landes, „deutsch“ zu definieren (später haben sich die Militärs mit noch weniger Erfolg daran gemacht) und sind bis heute daran gescheitert. Es gibt kein „deutsch“, nicht einmal wirklich eine gemeinsame Sprache. Kein Dresdner würde einen Schwäbisch Haller Stammtisch verstehen – und umgekehrt. Aber als deutsch gelten sie alle. Aus diesem Niveau dümpelte die Debatte lange umher, und aus dem Dunstkreis der Stammtische erklangen Forderungen wie „Die Ausländer sollen gefälligst deutsch lernen!“ Was auch immer das wieder heißt, bescheinigt doch eine Umfrage nach der anderen den Deutschen katastrophale Kenntnisse ihrer eigenen Sprache, PISA nur zuerst zu nennen. Die CDU brachte das Bild von der Leitkultur auf, der deutschen Leitkultur. Als sie feststellte, dass sie es nicht definieren kann, verschwand es wieder. Jetzt haben wir einen Einbürgerungstest, in dem in dämlichster Trivial-Pursuit-Manier irrelevante Fragen gestellt werden, die ein Großteil der Deutschen ebenfalls nicht korrekt beantworten kann und die mit dem täglichen Leben häufig wenig zu tun haben.


Ich könnte noch viele Beispiele mehr aufzählen, aber ich denke der Kern ist klar geworden: Integration wird heute als Schlagwort gebraucht, um weiter ausländerfeindlich sein zu dürfen und sich nicht weiter damit zu beschäftigen. Es ist bequem. Denn wann der Ausländer als integriert gilt, entscheiden wir ja praktischerweise gleich selbst, quasi mit Gesichtskontrolle. Festgelegte Regeln gibt es nicht. Man spart sich auch ein ernsthaftes Zugehen auf die Ausländer, eine Beschäftigung mit ihrer eigenen Kultur – sie sollen sich ja „integrieren“, also was interessiert sie uns auch? Auf diese Art und Weise werden die Konflikte weiter wachsen, und in einigen Jahren wird man erklären, dass die „Integration“ gescheitert sei, und man wird einen neuen Namen dafür finden, die Ausländer weiter zu ignorieren. 

John Katzenbach - Die Anstalt - Hörbuch


John Katzenbach - Die Anstalt - Hörbuch

Vor zwanzig Jahren, als junger Mann, ist Francis Petrel gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Mehrere Jahre hat er dort zugebracht -- bis die Anstalt nach einer Mordserie geschlossen wurde. Noch immer hört Francis Stimmen, nimmt Medikamente. Die Erinnerung an die traumatischen Geschehnisse von damals ängstigt ihn, und er beginnt, alles aufzuschreiben -- mit Bleistift, auf den Wänden seiner Wohnung.


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